Regenzeit und Trockenzeit als Taktgeber

Was die Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands und die Regenzeit Ghanas gemeinsam haben (… und was nicht)
1. August 2021 | Ayensudo/Ghana

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Überschwemmungen in Accra im Mai 2019 (Quelle: CitiTv Ghana)

Vor zwei Wochen kam es im Westen Deutschlands und angrenzenden Nachbarländern zu einer Flutkatastrophe, bei der mehr als 200 Todesopfer zu beklagen waren. Durch anhaltende Regenfälle, welche die Pegel einiger Nebenflüsse des Rheins rasant anstiegen ließen, kam es zu Sturzfluten, die ganze Siedlungen überschwemmten und Dorfteile mit sich rissen.

Auch wenn ein direkter Vergleich angesichts der Schwere der Katastrophe auf keinen Fall angemessen ist, kam mir (David) beim Anblick der Bilder aus den betroffenen Gebieten die jährlich wiederkehrende Situation bei uns in Ghana in den Kopf.

Die Regenzeit

Während in unserer Projektregion im südlichen Ghana jährlich nur etwa 20 Prozent mehr Regen als in Hildesheim fällt, verteilen sich die Regenfälle dort hauptsächlich auf einen Zeitraum von drei Monaten. In der Stadt Cape Coast, die etwa 20 Kilometer von unserem Organisationsstandort entfernt liegt, fällt die Hälfte des jährlichen Niederschlags zwischen Mitte April und Mitte Juli. Die folgende Grafik veranschaulicht den Unterschied zwischen Cape Coast/Ghana (dunkelblaue Säulen) und Hildesheim/Deutschland (hellblaue Säulen).

Regenzeit und Trockenzeit als Taktgeber

In der Regenzeit fällt in wenigen Stunden oft so viel Regen, dass Straßen überflutet und tiefer liegende Gebiete überschwemmt werden. Während in größeren Städten wie Accra, Kumasi oder Takoradi vor allem die großflächige Bodenversiegelung und schlechte Abwasser-Infrastruktur Überschwemmungen begünstigen, sind in ländlichen Regionen meist die starke Abholzung von Wald und Büschen Verstärker der Flutprobleme. Dadurch kann die enorme Niederschlagsmenge vom Boden noch schlechter aufgenommen werden. In der Folge erodiert das abfließende Wasser den Boden (und damit auch die fruchtbare Humusschicht), und eine Mischung aus Wasser und Schlamm bahnt sich den Weg ins tiefer gelegene Gelände.

Wirtschaftliche Auswirkungen der Regenzeit

Da viele Straßen Ghanas nicht asphaltiert sind, sondern aus roter Erde (Laterit) bestehen, sind diese während der Regenzeit nur schlecht oder zeitweise gar nicht passierbar – vor allem für schwere LKW, die Lebensmittel, Baustoffe oder andere Güter transportieren. Die Regenmassen weichen die Straßen derart auf, dass Autos und LKW einfach im Schlamm stecken bleiben.

Diese Auswirkungen merken wir als Organisation auch seit einigen Jahren selbst. In der aktuellen Regenzeit mussten wir unsere Produktion nachhaltiger Ziegelsteine wieder einmal für drei Monate aussetzen, da während dieser Zeit kaum die benötigten Materialien zu bekommen sind (bei uns vor allem der Laterit-Rohstoff). Auch müssen wir die Erde in einem trockenen Zustand aufbewahren, damit wir sie vor dem Misch- und Pressprozess zermahlen können. Allerdings fehlen uns dazu noch zwei überdachte Schüttgutboxen, um das Material trocken zu lagern. Für den Bau dieser Schüttgutboxen suchen wir derzeit noch dringend Unterstützung in Höhe von 870 Euro (Infos dazu siehe unten).

Somit hatten wir erneut drei Monate Pause. Auch unsere Angestellten mussten für diese Zeit folglich zuhause bleiben. Wir hoffen sehr, dass wir irgendwann eine unterbrechungsfreie Produktion und dauerhafte Arbeitsverhältnisse schaffen können. Hoffentlich klappt dies bereits vor der Regenzeit im kommenden Jahr.

Wir stehen mit diesen Problemen durch die Regenzeit allerdings nicht alleine da. Sie sind eher die Regel als die Ausnahme. Die Folgen der starken Niederschläge sind im ganzen Land zu spüren, wenn Schulunterricht ausfällt, Ernten (bei zu viel Regen oder Regen zur falschen Zeit) sprichwörtlich ins Wasser fallen oder Lieferwege durch überschwemmte und matschige Straßen unpassierbar sind.

Im Gegensatz zur unerwarteten Flutkatastrophe in Westdeutschland im Juli 2021 ist die Regenzeit in Ghana bekannt und ein jährlich wiederkehrendes Ereignis. Dennoch stellt sie die ganze Region Westafrika immer wieder vor Herausforderungen, zumal die Intensität und der Zeitraum der Niederschläge seit einigen Jahren zunehmend variieren und der Regen in vermehrt unerwarteten Zeiten fällt oder auch einfach komplett ausbleibt. Ein Zusammenhang mit der Klimaerwärmung und dem dadurch hervorgerufenen Klimawandel wird hierbei vermutet.

Tückisch sind auch die scheinbar trockenen und befahrbaren Erdstraßen Tage nach dem letzten Regenfall. Da durch die starke Sonneneinstrahlung die obere Erdschicht trocknet und auf den ersten Blick befahrbar aussieht, während die darunterliegenden Erdschichten noch matschig sind, bleiben Autos und Trucks unerwartet stecken, worüber wir vor anderthalb Jahren schon berichteten.

Bauen in Klimazonen mit Regenzeit und Trockenzeit

Im Baubereich ist das Phänomen der Regenzeit natürlich auch ein großes Thema. Präventiv werden in Ghana kaum Keller gebaut, da die Konstruktion und die Abdichtung teuer wären und durch anstehendes Wasser die Räumlichkeiten unter der Erde womöglich trotzdem volllaufen würden. Es stehen viele Häuser in Ghana sogar auf einer Art Sockel, der das Wasser am Eindringen ins Erdgeschoss hindert.

Auch in Deutschland wird zukünftig sicher noch stärker auf hochwassersicheres Bauen geachtet werden. Während Neubauten schon jetzt mit abgedichteten Kellern, druckresistenten Kellerfenstern und anderen technischen Lösungen geschützt werden, wird die Entwicklung sowohl in Deutschland als auch in Ghana hin zu kollektiven Lösungen gehen müssen. Denn nur durch gemeinschaftlichen Hochwasserschutz, mobile Deiche, die Ausweisung von Retentionsgebieten und ähnliche Lösungen wird man sich zukünftig als Land und Kommune gegen das Wasser schützen können. Dies bedarf in beiden Ländern auch politischer Lösungen, Gesetzestexte und Bauvorschriften.

Wie es jetzt in Ghana weitergeht

Nun sind die Regenfälle langsam vorbei, sodass wir in Kürze unsere Arbeit in Ayensudo wieder aufnehmen können. Ab Herbst/Winter 2021 soll es in Ghana auch wieder Seminartätigkeiten geben, wenn die aktuell ansteigende Delta-Corona-Welle dies nicht erneut einschränkt. Stand 31.07.2021 sind in Ghana erst 2,8% der Bevölkerung einmalig geimpft (Deutschland: 61,5%) und lediglich 1,3% vollständig geschützt (in Deutschland sind es 51,5%). Dieser gravierende Unterschied im Impftempo ist wohl Gegenstand für einen eigenen News-Beitrag und wird in den nächsten Monaten weltweit bestimmt noch ein stark diskutiertes Thema sein.

Wir bleiben optimistisch und halten Euch auf dem Laufenden. Auf ein Wiedersehen beim ghanaischen Kochen am Mittwoch, den 18. August, in Hildesheim freuen wir uns: Anmeldung

Spenden für unsere Projekte sind steuerlich absetzbar.

Vielen Dank für Eure Mithilfe!